Das Leben passiert für dich

Leseprobe

Das Leben passiert für dich: Mit Mukoviszidose und Rucksack um die Welt

– Leseprobe –

Mein Aufbruch

„Verdammt, ist das viel Zeugs,“ sagte ich zu mir selbst, als ich das Sammel­surium an Dingen, die ich auf meine geplante, zweimonatige Reise mitnehmen würde, auf dem Bett verteilt betrachtete. Dort lagen ein dickes Spanisch-Deutsch Wörterbuch, ein Spanisch-Übungsbuch, eine faltbare Landkarte Spani­ens, eine kleine Isomatte, ein Reisekissen, zwei ultraleichte, schnelltrocknende Reisehandtücher, eine Auswahl an Tops, Shorts, Unterwäsche, eine Kargohose, zwei Bikinis, zwei Pullis, eine Regenjacke, Stifte, meine Digitalkamera, einige Päckchen Kontaktlinsen, Kosmetika, Shampoos und Cremes.

Hinzu kam au­ßerdem die Sammlung an Medikamenten, in Form von Tabletten, Inhalations­lösungen und Inhalatoren, die ich alle zur Behandlung meiner chronischen Lun­generkrankung, Mukoviszidose, benötigte. Ich hatte die Medikamente aus ihren Verpackungen genommen, sauber in Ziplocktüten gepackt und diese dann mit den Etiketten des jeweiligen Medikamentes versehen, damit man an der Sicher­heitskontrolle auf einen Blick erkennen konnte, um welchen Inhalt es sich in den Tüten handelte. Ich würde außerdem ein kleines Taschenmesser mitneh­men, ein Reisewaschmittel, einen Sarong, verschiedene Ladekabel, ein Notiz­buch und drei Paar Schuhe. Neben all diesen Dingen lag mein 80L-Rucksack, den ich am Flughafen aufgeben würde und in den wahrscheinlich ein halbes Rind gepasst hätte, und mein kleinerer Rucksack, der als mein Handgepäck die­nen sollte.

Ich stopfte alles in meine beiden Rucksäcke hinein und zum Schluss befestigte ich noch meinen Schlafsack am unteren Ende des großen Rucksacks. Zur Probe hievte ich das Monstrum auf meinen Rücken und auch wenn die Ta­sche unerträglich schwer war, fühlte ich mich unendlich stolz.

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Ich würde in meine allererste Soloreise starten. Zwei Monate durch Spanien tingeln, ganz allein. Mich überkam eine leichte Angst, wenn ich darüber nach­dachte, dass ich ganz allein unterwegs sein würde, doch dann dachte ich an all die Blogs, die ich gelesen hatte, in denen beschrieben wurde, dass man beim Backpacken selten einsam wäre, weil man unheimlich schnell Leute kennenlernte.

Auch dass dies meine allererste Reise sein würde, bei der ich hinsichtlich meiner Erkrankung ganz auf mich gestellt sein würde, gab mir in dem einen oder anderen Moment ein Gefühl der Verunsicherung, denn schließlich war es nicht ganz „normal“ mit einem Rucksack voller Medikamente und einer recht schweren, chronischen Erkrankung in die Welt aufzubrechen. Dennoch wollte ich mich nicht von Gedanken wie diesen abhalten lassen. Ich betrachtete mich selbst, mit der Riesenladung auf meinem Rücken, im Spiegel und mir wurde plötzlich klar, dass etwas wirklich Großes bevorstand.

Nach vielem Lesen verschiedener Reiseblogs, dem Durchstöbern einiger Reiseführer und nach viel Träumerei, hatte ich etwa zwei Monate zuvor be­schlossen, auf meine erste Solo-Backpackingreise loszuziehen. Sobald die Idee sich in meinem Kopf manifestiert hatte, konnte ich sie nicht mehr abschütteln. Ich verbrachte Stunden im Internet und recherchierte, wohin ich reisen wollte, welche Orte mich reizten und welche Unterkünfte mir am besten gefielen. Ich schrieb Listen, wofür ich wohl wie viel ausgeben müsste und wie viel Geld ich im Gesamten brauchen würde, ohne an jeder kleinsten Ecke sparen zu müssen. Ich hatte meine Route ziemlich genau geplant. Es sollte in den Süden Spaniens gehen und von dort wollte ich mich Richtung Zentrum des Landes bewegen, um meine Reise dann in Barcelona abzuschließen. Von hier hatte ich auch schon meinen Rückflug gebucht. Dass eine so genaue Routenplanung bei einer Backpackingreise wie dieser eher witzlos war, würde ich erst später lernen.

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Was das Ziel meiner Reise war? Diese Frage stellten mir so einige Men­schen in in meinem Umfeld zu jener Zeit. Auch fragte man mich, ob ich eigent­lich noch alle Tassen im Schrank hätte, so ganz alleine loszuziehen. Meine Ab­sicht war es hauptsächlich, Neues zu entdecken und meinen Abenteuergeist zu füttern, um dann mit gestilltem Reisehunger in mein altes Leben zurückzukeh­ren. Zu meinem Leben als 22-jährige Mode-Studentin, die vor kurzem mit ih­rem langjährigen Freund in einer schönen Wohnung auf einem Bauernhof am Rhein zusammengezogen war und voraussichtlich in 1 bis 2 Jahren heiraten und das erste Kind kriegen würde. So sah meine Zukunft zu jener Zeit aus, auch wenn ich mich nie bewusst für eine solche Zukunft entschieden hatte.

Wie un­glücklich ich tatsächlich war, war mir selbst noch gar nicht so bewusst, wenn auch viele Dinge darauf hinwiesen. Ich hatte eher das Gefühl, einfach so vor mich hin zu dümpeln. Ich lebte in einer Art Blase, machte jeden Tag mein Ding, hinterfragte wenig und hatte keinen wirklichen Bezug zur „Welt da drau­ßen“. Auf diese Reise loszuziehen war rückblickend mein persönlicher Hilfe­schrei, ein Aufruf meines Unterbewusstseins, etwas zu verändern, herauszufin­den, was es sonst so da draußen noch gibt und mein Leben überhaupt zum ersten Mal zu hinterfragen. Kurz gefasst: Ich musste einfach nur mal raus.

All das war mir, ehrlich gesagt, noch nicht so bewusst und ich ahnte zu je­nem Zeitpunkt auch nicht, was diese Reise in meinem Leben bewegen würde. Ich wusste nicht, welchen Einfluss sie auf meine Beziehung und meinen weite­ren Lebensweg haben würde. Ich wusste nur instinktiv, dass es das Richtige war, wenn auch alles andere in meinem Leben eher unklar und schwammig war.

 

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